Die Jagd ist beendet

Dieser Blog ist mit diesem Beitrag abgeschlossen.

Wir laden aber herzlich ein, die acht Tage und Nächte, an denen wir einiges an Aufwand betrieben, um 2013 das Nordlicht zu sehen, nachzulesen. Ihr könnt miterleben wie wir von unserer „Basis-Station“, einer Hütte auf der Halbinsel Hillingan auf Höhe der Lofoten/Svolvær, weitere 600 Kilometer durch Schneestürme und über Eis- und Schneepisten in den Norden bis nach Tromsø geschliddert sind. In der letzten und achten Nacht vor unserer Rückfahrt nach Bodø zu unserem Flieger bescherte uns der Zufall ausgerechnet auf Hillingan dann doch das Nordlicht. Hätten wir auch gleich auf der Hytta bleiben können.

Hinter dem Blog stecken Thomas Schäkel für die Fotografie und Björn Troll für die Texte (mehr siehe „Über uns“). Idee war, die Sichtweise eines Fotografen und eines Texters nebeneinander stehen zu lassen. Hier folgt weder das Bild dem Text wie es im Journalismus und in der PR üblich ist, noch beschreiben umgekehrt die Texte die Entstehungsgeschichte und Hintergründe der Bilder.

In manchen Fällen decken sich Fotografie und Text in den Postings. In anderen Fällen stehen Fotos völlig für sich selbst im Sinne der l’Art pour l’Art (der Kunst um seiner selbst Willen).

Manchmal sind die Texte nicht ganz sauber formuliert. Lange habe ich, Björn Troll, hin und her überlegt, ob ich diese nochmal redigieren sollte. Ich habe mich dagegen entschieden. Sie sind in dem Moment geboren worden, in dem ich sie erlebt habe. Das hinterher glattzubügeln, das würde alles verfälschen.

Text bt, Fotos ts

Neunter Tag: Verwandtschaftspflege und Abschied

Viel Kaffee trinken wir in Bodø an unserem letzten Tag. Für mich gibt es das volle Familienprogramm, für Thomas einen kleinen Rundgang. Dann heißt es Hade Bra Norwegen und Willkommen Deutschland. Und am Ende wird ein neuer Plan gefasst.

Wir treffen uns mit meiner Cousine Ine in einem Café in der Nähe ihres Hauses zum lunsj (Mahlzeit zwischen Frühstück und Mittagessen). Das Café befindet sich in der ehemaligen Landwirtschaftsschule, die zuvor ein Gutshof war und heute ein Kulturzentrum ist. Beiläufig sage ich zu Thomas, dass mein Onkel hier Lehrer war und in dem Gutshaus wohnte. Ein Stockwerk höher saß ich vor 30 Jahren und pulte einen Kübel Reker (Atlantikkrabben), um sie auf Weißbrot mit Majo zu essen, eine hiesige Spezialität, die wir dieses Mal auslassen mussten. Das ist Anlass für uns, über den Umgang von Norwegern mit Verwandtschaftsverhältnissen zu sprechen. In einem Spotlight erzähle ich ein wenig mehr „Von Verwandtschaftsverhältnissen in Nordnorwegen“.

Das Café ist übrigens sehr schön und hier einen Tipp wert , falls jemand mal dort vorbeikommen sollte (Der Link ist leider Stand 2018 tot). Den Filterkaffee gibt es als påfyll (Nachschenken) bis zum Abwinken. Das ist eine typisch skandinavische sympathische Eigenart. Da aber auch in Norwegen immer mehr alle möglichen Varianten von Café und Espressomaschinen Einzug finden, gibt es påfyll immer weniger.

Zum ersten Mal auf dieser Reise gehen Thomas und ich dann einmal getrennte Wege. Mein weiterer Weg führt mich zwecks Verwandtschaftspflege zu einem Kurzbesuch zu meiner Tante Rigmor. Meine Tante spricht nur Norwegisch – kein Vergnügen für jemanden der nichts versteht. Thomas erkundet also statt dessen noch ein wenig die Gegend für letzte Fotomotive. Sein Weg führt ihn zum Fjord und direkt zum Flughafen. Ich kenne in Deutschland wirklich keinen Ort, wo wir zu Fuß zum Flugplatz gehen könnten.

Für mich gibt es bei meiner Tante natürlich Kaffee mit Kuchen. Danach bringe ich noch den Mietwagen weg.

Ein letztes nettes Familientreffen findet abschließend am Flughafen mit meiner Cousine Therese statt. Tja, und dann soll unser Flieger um 15.10 Uhr starten. Aber erst müssen noch einige Jagdflieger landen. Bodø ist auch ein Militärflughafen.

Am Abend landen wir in KölnBonn. Es erwarten uns -6 Grad und Schnee. Wegen des Winterwetters hätten wir bestimmt nicht nach Nordnorwegen fliegen müssen, stellen wir fest. Nach so einer erlebnisreichen Reise lassen wir uns von einer vereisten Weiche in Köln Deutz, wegen der wir die S-Bahn verlassen müssen, nicht aus der Ruhe bringen. Wir sollen den Bahnsteig wechseln. Dort angekommen, sehen wir wie die S-Bahn dann doch abfährt. Willkommen in Köln.

Und unser neuer Plan? Der lautet: Nordnorwegen, wir kommen im Winter wieder. Dann soll es von Hillingan aus auf die Lofoten gehen. Wir wollen das Nordlicht wiedersehen und nicht nur das.

Text bt, Fotos ts



Von Verwandtschaftsverhältnissen in Nordnorwegen

Wenn sich untereinander unbekannte Norweger treffen, schwebt unweigerlich die Frage im Raum, „könntest Du mit mir verwandt sein, und woher kommst Du?“


Im „Fylke“ Nordland verteilen sich gerade einmal 250.000 Menschen auf sagenhaften 38.500 Quadratkilometern. Das sind sechs Menschen auf einem Quadratkilometer. Bei so einer geringen Bevölkerungsdichte ist die Chance sehr groß, wenn auch nur über drei Ecken, miteinander verwandt zu sein.

Auch ich habe in diesem Blog oft von meiner Familie berichtet. In Bodø, der Hauptstadt Nordlands, unserem Start- und Zielort in Nordnorwegen, finden sich unter seinen 46.000 Einwohnern mittlerweile einige meiner rund 50 Verwandten.

Aufgewachsen sind viele im heutigen 200 Seelen-Dörfchen Innhavet beziehungsweise auf der Halbinsel Hillingan mit seinen drei Gutshöfen. Landflucht ist auch in Norwegen ein Thema. Während wir durch die vielen kleinen Ortschaften in Nordnorwegen fuhren, fielen uns immer wieder verlassene Häuser und Höfe auf.

Auch meine Familie hat den kleinen Hof Hillingan Ende der 70er Jahre verlassen. Jetzt stehen da fünf Hütten. Und das alte Hofhaus wird von einer meiner Cousinen als Wochenendhaus genutzt.

Einst kamen arme Bauern aus den Süden in den hohen Norden, um hier oben sesshaft zu werden. Auch unsere nordische Familie hat im Süden Ahnen, sogar in Deutschland. Die frühesten Siedler im hohen Norden waren jedoch die Sami, auch Lappen genannt, die sicher auch in unserer Familie ihre Spuren hinterlassen haben.

So lässt sich aus der Geschichte meiner Familie durchaus etwas von den Wanderbewegungen der Norweger ablesen.

Text bt, Foto ts


Achter Tag: Ha det bra Hillingan (mach’s gut Hillingan)

Ein erster Abschied und eine letzte Autofahrt bestimmen unseren vorletzten Tag in Nordnorwegen. So langsam geht unsere Reise zu Ende. Was soll nach dieser spektakulären Nacht mit dem nordlys (Nordlicht) eigentlich noch kommen?

Die Hütte auf der Halbinsel Hillingan zu verlassen, bedeutet durchaus Arbeit. Unsere Basis-Station für die letzten Tage soll schließlich wieder ordentlich aussehen für den nächsten Gast. Meine Mutter kommt im Mai. Einen halben Tag muss ich immer für das Aufräumen einplanen. Also heißt das für uns wieder einmal Früh aufzustehen.

Ich lege innen los. Thomas bringt die ersten Sachen raus. Nach einer Weile mache ich mir Sorgen, wo er denn bleibt. In den letzten Tagen ist ja einiges passiert. Ich schaue von der Terrasse aus um die Ecke. Eine Elchkuh steht in fünf Meter Entfernung. Die Windrichtung muss in Richtung Thomas gehen. Der Elch sieht nicht gut, dafür riecht er umso besser. Thomas kann er nicht gerochen haben. Thomas wirkt völlig gebannt. Der Elch wirkt irritiert. Ich Rufe ihm ganz leise zu, ob er seine Kamera will. Was für eine Frage. Das ist wirklich das volle Nordnorwegenprogramm.

Der Weg in Richtung Bodø, von wo am nächsten Morgen unser Flieger abhebt, kommt uns mittlerweile unspektakulär vor. Gut, unser Benzin steht auf rot. Tankstellen gibt es in Nordnorwegen nicht an jeder Ecke. Aber das ist für mich kein Grund für Herzpochen. Ich kenne diese Strecke, und weiß, wann die nächste kommt. Ich muss sie jedes Mal fahren, wenn ich zur Hütte will. Die Tankstelle ist jedoch verlassen. Es ist eben Winter und nicht Sommer. Aber ein Terminal akzeptiert Kreditkarten. Ich stecke meine rein und werde zur Eingabe eines Pincode aufgefordert. Meine Kreditkarte hat keine. Herzrasen. Bis Fauske sind es noch zirka 50 Kilometer. Ok, das musste jetzt nicht sein. In Fauske angekommen, waren im Tank höchstens noch zwei Liter.

Unser letzter Schlafort ist bei meiner Cousine Ine, ihrem Mann Rune und ihren drei Kindern Astrid, Inger und Knut in Bodø. Wir kommen sogar im akademischen Viertel, 15 Minuten nach der vollen Zeit, an. Der Abend wird bei leckerem Bacalhau in Tomaten, Zwiebeln und Paprika wieder einmal sehr koselig (gemütlich).

Bacalhau, getrockneter Dorsch, ist eine norwegische Spezialität von den Lofoten, der immer noch ein Exportschlager nach Portugal ist. Wer einmal auf die Lofoten fährt oder dort war, wird diese Spezialität an Stangen aufgehängt überall gesehen haben. Der Geruch ist in den ersten Wochen speziell, der Geschmack aber am Ende phantastisch, wenn er im Tomatensud langsam wieder Flüssigkeit zieht – finde ich. Manche essen ihn auch ungekocht. Das ist dann aber wirklich gewöhnungsbedürftig. Nach Fiskeboller und Elch haben wir auch kulinarisch das volle Norwegenprogramm bekommen. Tusen takk for maten (Herzlichen Dank für das Essen)!

Text bt, Fotos ts


Das Nordlicht, endlich

JAAAAAA, wir haben es gesehen, das Nordlicht, an unserem letzen Tag in Nordnorwegen auf Hillingan!!!! Ich fasse es nicht. Es war wunderschön mitten über unseren Köpfen zum Greifen nahe, und eigentlich wollten wir uns gerade für die Nacht fertig machen, wenn Thomas nicht noch mal hätte austreten müssen …. Es hat zehn Minuten gedauert und war zwischendurch richtig kräftig. Das werden wir wohl nie mehr vergessen.


Wir sind rausgelaufen auf den zugefrorenen Fjord. Von dort aus war das Nordlicht am Besten zu sehen. Zwischendurch war das Nordlicht ein schmales langes Band, dann faserte es auf und waberte wie von Geisterhand. Dann zog es sich zusammen und verschwand kurz, kam dann an anderer Stelle weiter im Norden wieder. Wer im Internet Nordlicht oder Polarlicht googelt, kann viele Videos mit dem Nordlicht finden, die mit elektronischer Musik untermalt sind. Die Wirklichkeit ist viel berauschender, weil es vollkommen still ist. Der Himmel ist Sternenklar und die Luft knackig frostkalt.

Nach den zehn intensiven Minuten haben wir noch eine ganze Stunde auf weiteres Nordlicht gewartet bis unsere Füße zu kalt wurden.

In meiner norwegischen Familie erzählen wir uns eine kleine Geschichte zum Nordlicht. Meine Oma hatte den Schalk im Nacken. Wenn das Nordlicht zu sehen war, schickte sie meine damals noch kleinen Onkel und Tanten mit Bettlaken vor die Tür. Diese sollten sie schön auf und abschwingen, damit sich das Nordlicht bewege. Auch pfiff sie, damit es sich bewege. Natürlich haben sie das damals geglaubt. Es muss wunderschön gewesen sein, das zu glauben.

Text bt, Fotos ts


On the Road

Fotos ts


Ut på tur … Ein kleiner Rückblick

„Ut på tur!“ (Raus zum Wandern) …

Wandern ist für meine norwegische Familie wichtig. Aber das ist ein völlig anderes Wandern als wir das hier kennen in Deutschland. Dort wird gerne auf Berge gestiegen, mit dem Boot über den Fjord gepest zu Angelstellen für Sei (Seelachs), Torsk (Dorsch) und mit Glück zu Rotbarsch, oder werden Seen und Wasserfälle aufgesucht, wo Øret (Forelle) gefangen werden kann. Immer wird das zuvor Gefangene während einer Pause sofort verspeist. Was übrig bleibt, wird mit nach Hause genommen. Wenn ausnahmsweise nichts gefangen wird, dann … nein daran kann ich mich nicht erinnern. Gerne gehört auch ein Lagerfeuer dazu. „So ist das leben in Nordnorwegen“, pflegten meine Verwandten bei unseren Pausen immer! auf deutsch! zu sagen.

Allerdings gehört zuallererst auch eine Verabredung dazu.

Wir Deutschen sollen ja für unsere Pünktlichkeit weltbekannt sein. Wenn ich an Pünktlichkeit denke, kommen mir meine norwegischen Verwandten wirklich nicht als erste in den Sinn. Im Sommer zählt wirklich mehr, wie gerade das Wetter ist, auch wenn man sich für eine Uhrzeit verabredet hat. Nein, es wird gewartet bis die Sonne rauskommt, und erst dann geht es los. Es ist ja auch wirklich egal, wann die Tour startet. Taghell ist es hier im Sommer ja immer.

Ich kann mich daran erinnern, dass wir eine ursprünglich für den Vormittag geplante Tour erst um 16 Uhr Nachmittag gestartet haben, weil nicht klar war, wie sich das Wetter entwickelt. Wir kamen erst gegen 2 oder 3 Uhr nachts zurück. Völliger Wahnsinn für uns Deutsche. Bei einer anderen Gelegenheit stand unsere Verabredung morgens um halb sechs vor unserem Fenster und warf Kieselsteine dagegen, damit wir aus den Federn kommen. Das Wetter war ja auch wirklich fantastisch, da galt es keine Zeit zu verlieren. Geplant war aber 9 Uhr.

Die Touren waren übrigens allesamt toll. Ich liebe das. Vielleicht gehe ich deshalb heute so gerne mit meiner Frau und oder mit Freunden wandern. Und der Allerpünktlichste bin ich übrigens auch nicht. Der Apfel … ach lassen wir das.

Text bt, Foto ts


Siebter Tag: ut på tur … aldrig sur

Text bt, Fotos ts

Ut på tur … aldrig sur (frei übersetzt: Bist du auf Tour, bist du immer bester Stimmung), das war unser heutiges Tagesmotto. Nach dem gestrigen Tag durfte eine kleine entspannte Wanderung einfach auch mal sein.

Der Norweger geht gerne in die Natur für eine kleine oder große Wanderung. Dieser allgemeine Satz stimmt auf jeden Fall für meine norwegische Familie. Jedes Mal, wenn ich hier oben bin, gehört auch eine Wanderung mit Terje und Mary-Astrid dazu. Ich kann mich jedenfalls nicht anders erinnern.

Während wir wieder einmal leckeren Pfannkuchen von Thomas mit Syltetøy (direkt übersetzt, hieße das Hungerspielzeug, es ist aber schlicht Marmelade) und Seter Rømme (dafür gibt es in Deutschland geschmacklich nichts vergleichbares, höchsten Schmand könnte dem etwas nahe kommen) essen, chatte ich mit Mary-Astrid über facebook, dass wir gegen 10.30 Uhr bei ihnen sind.

Nach der kurzen Nacht kommt dieses mal Thomas nicht so richtig in die Gänge. Das ist mir ein Fest! Ich bin ja nicht nachtragend. Jetzt lasse ich ihn leiden. Meine sonst so übliche Morgenmuffeligkeit ist wie weggeblasen. Es wird 11 Uhr bis zu unserem Start. Nun gut, Norweger sind mir ja nicht für Pünktlichkeit in Erinnerung (siehe auch das Spotlight zum Wandern mit Norwegern).

Wir schaffen es, uns gerade einmal 50 Meter von der Hütte zu entfernen, da kommt uns Terje mit seinem Wagen entgegen, um zu schauen, wo wir denn bleiben. Das ist nach dem gestrigen Erlebnis mit uns nachvollziehbar. Wir entschuldigen uns. „Ihr macht die norwegische Art“, kommt es augenzwinkernd zurück. Aber wir haben keinen Sommer, sondern Winter und da sind die Tage verdammt kurz und gutes Wetter rar. Wir lassen unser Auto stehen und fahren mit seinem Auto gemeinsam schnell weiter zu unserem Startpunkt auf Finnøya.


Von einem einsamen, verlassenen Gutshof aus geht es los. Wir wandern durch die Schneelandschaft über zugefrorene Seen und Moore. Einen Weg gibt es nicht. Es gibt nur eine Richtung, oder das Wissen, wir müssen über einen See links oder rechts, oder wir folgen Strommasten. Das Ziel soll mit weißen Bändern „ausgeschildert“ sein; ausgerechnet im Winter, wer soll das denn finden, unken wir. Terje und Mary-Astrid finden sie. Das Ziel bei Wanderungen in Nordnorwegen ist gerne eine Bergkuppe oder eine markante Aussicht. Wir könnten eine schöne Aussicht Richtung Hamarøyskaftet, dem Wahrzeichen der gleichnamigen Kommune, haben, wenn die tief hängenden Wolken nicht wären.

Wir machen es uns dennoch gemütlich. Alte Zweige werden abgebrochen. Kurze Zeit später brennt das Feuer und die pølse (Grillwürstchen, so wie wir sie von IKEA kennen, nur eben speziell fürs offene Feuer) stecken an unseren Stangen. Ich passe auf, dass meine nicht verkohlt, was gar nicht einfach ist. Natürlich fällt die erste ins Feuer – ok, dann eben doch mit Kohle. Dazu gibt es über dem Feuer aufgebrühten Kaffee in einer verkohlten Blechkanne. Eine solche Kanne hat hier jeder. Je verkohlter, desto besser. Alles ist irgendwie nochmal so lecker. Wir bekommen das volle Norwegen-Programm. Und auch der Himmel klart auf. Postkartenmotiv. Zumindest das Panorama. „So ist das Leben in Nordnorwegen“, sagt Terje auf deutsch.

Nach einer guten Stunde Rückwanderung sind Thomas und ich glücklich. So hatten wir uns das gewünscht. „Takk for tur!“ (Danke für die Wanderung; diese Redewendung gehört sich in Norwegen einfach), „Selv takk“ (Direkt übersetzt: selbst Danke) , kommt es umgehend zurück. So wird in Norwegen eine Tour ordentlich beendet. Ich finde diesen Brauch schön. Den Abend lassen wir mit in Narvik gekauften, richtig guten, frischen Seelachs ausklingen.

„Tja, und das Nordlicht?“, fragt sich vielleicht der eine oder andere. Das ist uns auf dieser Reise wohl nicht vergönnt. Auch in dieser Nacht schneit es. Morgen geht es zurück nach Bodø. Das Abenteuer neigt sich dem Ende zu.


Sechster Tag: Drama und ein gutes Ende

Text bt, Fotos ts

Es gibt Drama, Baby. Als ich diese Worte schrieb, wusste ich noch nicht, wie vieldeutig das sein würde.

Der Morgen beginnt mit einem Schwätzchen bei strahlendem Sonnenschein. Genau richtig für unsere Rundtour auf der nordnorwegischen Insel Senja. Um 7.30 Uhr kommt ein Trecker mit einer Schneefräse den Hotelweg hoch und wirbelt reichlich Schnee an den Wegesrand. Er hält neben unserem Wagen. „Tjør du på job?“ (Fährst du zur Arbeit?) Naja, denke ich bei mir. Unser Blog macht durchaus Arbeit. Thomas will die Schneeketten vom Traktor haben. „45 Kilo. Die sind zu schwer für euren Wagen“, kommt es lakonisch zurück. Hätten wir aber gut gebrauchen können.


Wir fahren ohne Schneeketten los. Sind ja Spikes, die Reifen. Verflixt, der Himmel zieht plötzlich zu. Wir sehen die Hand kaum vor unseren Augen, geschweige denn das in den Reiseführern angekündigte phantastische Panorama. Wir müssen über einen Pass, der fast zugeschneit ist. Wenn die Stangen links und rechts nicht zu sehen wären, wüssten wir nicht, wo es lang ginge.

Wir kommen am Fjord an. Nichts ist zu sehen. Wir steigen an einer Lachsfarm dennoch aus und Thomas fotografiert das, was halt zu sehen ist: Schnee. Und dann kommt das Drama innerhalb von 10 Minuten. Die Wolken steigen immer Höher. Auf der einen Seite schneit es, auf der anderen zeigt sich erst ein blauer kleiner Flecken, dann die Sonne und dann der erste Berg. Das Panorama, das dann von den Wolken frei gegeben wird, verschlägt uns schlicht die Sprache. Drama, Baby! Der Fjord wird von steilen Bergen eingerahmt und will gar nicht enden. Überwältigend und berauschend, dieser Wechsel.

Völlig berauscht fahre ich weiter. Wir haben ja Spikes am Auto, was kostet die Welt. Eine Sekunde lang unvorsichtig – nun gut, ich fahre durchaus gerne zügig. Eine Kurve. Der Wagen schlingert gefährlich. Das Herz rutscht sonst wohin. Zack, das Heck detscht in die Leitplanke. Hin und her. Aber kein Gegenverkehr, und wir kommen zum Stehen. Drama, Baby! Puh. Blechschaden. Jetzt nur ganz ruhig Richtung Hütte zurück. Schließlich sind wir bei meiner Tante zum Essen eingeladen. Das wollen wir doch gerne noch erleben.

Aber unser Dramakonto ist anscheinend nicht genug gefüllt für diesen Tag. Unsere Fähre um 18 Uhr über den Tysfjord ab Kjøpsvik verpassen wir um drei Minuten. Wir sehen sie noch aus dem Hafen fahren. Auf dem Weg zu einer anderen Fähre ab Drag in 50 Kilometer Entfernung bietet sich aber DAS Foto: Der Berg Stetind, ein norwegisches Naturdenkmal, im Abendlicht. Hat sich ja doch irgendwie gelohnt.

Die andere Fähre um 19.10 Uhr erreichen wir dann pünktlich. Über den Tysfjord gibt es keine andere Möglichkeit als eine Fähre. Der Fjord ist bis zu 1.000 Meter tief und er geht bis 5 Kilometer vor Schwedens Grenze. Den kann man nicht umfahren, mit einer Brücke überbauen oder mit einem Tunnel unter der Erde durchfahren. Eine gute Stunde später kommen wir endlich in Innhavet an. Dort wartet bei meinem Onkel Terje und meiner Tante Mary-Astrid Elchgeschnetzeltes auf uns. Das schmeckt vorzüglich. Wir haben eine Menge zu erzählen. Ja, reisen im Winter ist hier eine echte Herausforderung, sind wir uns einig. Der Abend wird veldig koselig (sehr gemütlich).

In der Hütte erwartet uns dann das letzte kleine Drama. Aber im Vergleich zu allem Vorherigen ein wirklich kleines. Die Hütte muss von -5 Grad auf eine erträgliche Temperatur hochgeheizt werden, damit wir am nächsten Tag wieder lebend aufwachen. Um 3 Uhr fallen wir tot aber glücklich ins Bett. Genug Drama. Morgen wartet eine Wandertour mit Mary-Astrid und Terje auf uns. Start ist gegen 10 Uhr. Eigentlich machbar.


Fünfter Tag: endlich Tromsø

Das Ziel war definiert: Tromsø. Wir haben es auch erreicht, und zurück ins Hotel sind wir auch gekommen. Die Frage war eher, wie wir es dorthin geschafft haben. Und dann haben wir uns einfach auch mal etwas gegönnt.

Zurück auf Anfang. 7.30 Uhr. Ausschlafen ist hier nicht. Wir wollen was von der norwegischen Natur sehen. Die Sonne geht am Horizont auf. Thomas war bereits wieder draußen zum Fotografieren. Ich habe wieder eine Dusche bevorzugt. Dann beeilen wir uns, damit wir die Fähre um 9 Uhr von Senja nach Tromsø nicht verpassen. 80 Kilometer und 250 Kronen für die Fähre oder 190 Kilometer mit dem Auto nur über Eispisten. Da fällt die Entscheidung leicht.

Endlich Botnhamn. 8.55 Uhr. Die läppischen 30 Kilometer haben sich unglaublich gezogen. Wo ist der Anleger verdammt, wo die Fähre. Wir fragen einen Seemann am Anleger. „Die kommt in zwei Monaten.“ Wie? Aber im Internet stand doch … „Kansje!“ (Kann schon sein). Kein Wort mehr. Also los, keine Zeit verlieren. Wir drehen um. 220 Kilometer Eispiste liegen vor uns. Egal. Abenteuer.

Das Licht ist toll, ein Wechselspiel aus weißen Schönwetterwolken, blauem Himmel und Sonnenschein mit dunklen Wolken und Schneeflocken. Es schneit, dann reißt der Himmel auf, dann schneit es wieder. Jede Sekunde wird die Landschaft genossen. Ein Wow folgt auf das nächste. Wir machen einen kleinen Abstecher von der E6, der Hauptverkehrsader Norwegens von Süd nach Nord. Thomas hat den Blick für die Motive. Winternatur pur. Und immer wieder schrauben sich die für Norwegen so typisch dramatischen Berge steil aus dem Fjord empor.

Geplante Ankunft für Tromsø war ursprünglich gegen 1 Uhr. Es wurde 3 Uhr. Egal.

Erinnerungen kommen hoch: Ich war mit irgendwas zwischen 11 und 13 Jahren in Tromsø. Es war jedenfalls Anfang der achtziger Jahre. Die Ishavskatedralen (Eismeer Kathedrale) hatte mich damals sehr stark beeindruckt. Das weiß ich noch. Ich wollte sie unbedingt wieder sehen. Schon aus der Ferne ist sie gut sichtbar. Wir kommen an einen Kreisel. Wo ist die Ausschilderung DER Sehenswürdigkeit Tromsøs schlechthin. Nix. Dann stehen wir vor ihr. Wow! Wir wollen reingehen. Geschlossen bis 16 Uhr. Ein Orgelkonzert findet statt.

Dann stillen wir eben unseren Hunger. Unverzüglich. Ich werde schnell unleidlich, wenn ich nichts zu essen bekomme. Thomas hat das durchaus zu spüren bekommen. Aber bei der Kathedrale hätte ich mich zusammengerissen, um hier noch Zeit zu haben. So aber nicht. Glücklicherweise hat auch Thomas Hunger. Wir fahren ins Zentrum. Das erstbeste Restaurant am Hafen gibt tatsächlich was her. Aber die Preise sind, wie immer in Norwegen, jenseitig für uns Deutsche. Umgerechnet 35 Euro in einem mittelprächtigen Restaurant. Und das für Fisch, den es hier doch so massenhaft gibt. Nun dann, auch das ist egal. Das haben wir uns jetzt verdient! Anschließend wechseln wir noch in ein schickes Café und gönnen uns einen wirklich guten Cappuccino, bzw. Latte Macchiato mit Preiselbeermuffin. Preis? Egal. Cafékultur, das können die Norweger wirklich. Glaubst Du nicht? Dann probiere es.

Gut gestärkt machen wir dann eine kleine Autorundtour durch Tromsø. Ok, die ist schon eher kurz. Es schneit schon wieder heftigst. Und ich verfahre mich auch noch in der „großen“ Stadt. Und dann kommt für mich doch noch das Highlight des Tages. Der Besuch der Kathedrale. Wieder bin ich tief beeindruckt, Thomas nicht minder. Plötzlich spielt die Orgel auf.


Ja, das war all die Strapazen Wert. Ohne den Besuch hätte mir wirklich etwas gefehlt. Sicher wäre Sonnenschein toll gewesen. Dann geht eine Außenillumination an, da es dunkel wird. Bei Schneegestöber hat das seinen ganz eigenen Reiz.

Die Rückfahrt war dann übrigens völlig ohne Überraschungen. Haben wir etwas falsch gemacht?

Text von bt, Fotos ts