Ut på tur … Ein kleiner Rückblick

„Ut på tur!“ (Raus zum Wandern) …

Wandern ist für meine norwegische Familie wichtig. Aber das ist ein völlig anderes Wandern als wir das hier kennen in Deutschland. Dort wird gerne auf Berge gestiegen, mit dem Boot über den Fjord gepest zu Angelstellen für Sei (Seelachs), Torsk (Dorsch) und mit Glück zu Rotbarsch, oder werden Seen und Wasserfälle aufgesucht, wo Øret (Forelle) gefangen werden kann. Immer wird das zuvor Gefangene während einer Pause sofort verspeist. Was übrig bleibt, wird mit nach Hause genommen. Wenn ausnahmsweise nichts gefangen wird, dann … nein daran kann ich mich nicht erinnern. Gerne gehört auch ein Lagerfeuer dazu. „So ist das leben in Nordnorwegen“, pflegten meine Verwandten bei unseren Pausen immer! auf deutsch! zu sagen.

Allerdings gehört zuallererst auch eine Verabredung dazu.

Wir Deutschen sollen ja für unsere Pünktlichkeit weltbekannt sein. Wenn ich an Pünktlichkeit denke, kommen mir meine norwegischen Verwandten wirklich nicht als erste in den Sinn. Im Sommer zählt wirklich mehr, wie gerade das Wetter ist, auch wenn man sich für eine Uhrzeit verabredet hat. Nein, es wird gewartet bis die Sonne rauskommt, und erst dann geht es los. Es ist ja auch wirklich egal, wann die Tour startet. Taghell ist es hier im Sommer ja immer.

Ich kann mich daran erinnern, dass wir eine ursprünglich für den Vormittag geplante Tour erst um 16 Uhr Nachmittag gestartet haben, weil nicht klar war, wie sich das Wetter entwickelt. Wir kamen erst gegen 2 oder 3 Uhr nachts zurück. Völliger Wahnsinn für uns Deutsche. Bei einer anderen Gelegenheit stand unsere Verabredung morgens um halb sechs vor unserem Fenster und warf Kieselsteine dagegen, damit wir aus den Federn kommen. Das Wetter war ja auch wirklich fantastisch, da galt es keine Zeit zu verlieren. Geplant war aber 9 Uhr.

Die Touren waren übrigens allesamt toll. Ich liebe das. Vielleicht gehe ich deshalb heute so gerne mit meiner Frau und oder mit Freunden wandern. Und der Allerpünktlichste bin ich übrigens auch nicht. Der Apfel … ach lassen wir das.

Text bt, Foto ts


Siebter Tag: ut på tur … aldrig sur

Text bt, Fotos ts

Ut på tur … aldrig sur (frei übersetzt: Bist du auf Tour, bist du immer bester Stimmung), das war unser heutiges Tagesmotto. Nach dem gestrigen Tag durfte eine kleine entspannte Wanderung einfach auch mal sein.

Der Norweger geht gerne in die Natur für eine kleine oder große Wanderung. Dieser allgemeine Satz stimmt auf jeden Fall für meine norwegische Familie. Jedes Mal, wenn ich hier oben bin, gehört auch eine Wanderung mit Terje und Mary-Astrid dazu. Ich kann mich jedenfalls nicht anders erinnern.

Während wir wieder einmal leckeren Pfannkuchen von Thomas mit Syltetøy (direkt übersetzt, hieße das Hungerspielzeug, es ist aber schlicht Marmelade) und Seter Rømme (dafür gibt es in Deutschland geschmacklich nichts vergleichbares, höchsten Schmand könnte dem etwas nahe kommen) essen, chatte ich mit Mary-Astrid über facebook, dass wir gegen 10.30 Uhr bei ihnen sind.

Nach der kurzen Nacht kommt dieses mal Thomas nicht so richtig in die Gänge. Das ist mir ein Fest! Ich bin ja nicht nachtragend. Jetzt lasse ich ihn leiden. Meine sonst so übliche Morgenmuffeligkeit ist wie weggeblasen. Es wird 11 Uhr bis zu unserem Start. Nun gut, Norweger sind mir ja nicht für Pünktlichkeit in Erinnerung (siehe auch das Spotlight zum Wandern mit Norwegern).

Wir schaffen es, uns gerade einmal 50 Meter von der Hütte zu entfernen, da kommt uns Terje mit seinem Wagen entgegen, um zu schauen, wo wir denn bleiben. Das ist nach dem gestrigen Erlebnis mit uns nachvollziehbar. Wir entschuldigen uns. „Ihr macht die norwegische Art“, kommt es augenzwinkernd zurück. Aber wir haben keinen Sommer, sondern Winter und da sind die Tage verdammt kurz und gutes Wetter rar. Wir lassen unser Auto stehen und fahren mit seinem Auto gemeinsam schnell weiter zu unserem Startpunkt auf Finnøya.


Von einem einsamen, verlassenen Gutshof aus geht es los. Wir wandern durch die Schneelandschaft über zugefrorene Seen und Moore. Einen Weg gibt es nicht. Es gibt nur eine Richtung, oder das Wissen, wir müssen über einen See links oder rechts, oder wir folgen Strommasten. Das Ziel soll mit weißen Bändern „ausgeschildert“ sein; ausgerechnet im Winter, wer soll das denn finden, unken wir. Terje und Mary-Astrid finden sie. Das Ziel bei Wanderungen in Nordnorwegen ist gerne eine Bergkuppe oder eine markante Aussicht. Wir könnten eine schöne Aussicht Richtung Hamarøyskaftet, dem Wahrzeichen der gleichnamigen Kommune, haben, wenn die tief hängenden Wolken nicht wären.

Wir machen es uns dennoch gemütlich. Alte Zweige werden abgebrochen. Kurze Zeit später brennt das Feuer und die pølse (Grillwürstchen, so wie wir sie von IKEA kennen, nur eben speziell fürs offene Feuer) stecken an unseren Stangen. Ich passe auf, dass meine nicht verkohlt, was gar nicht einfach ist. Natürlich fällt die erste ins Feuer – ok, dann eben doch mit Kohle. Dazu gibt es über dem Feuer aufgebrühten Kaffee in einer verkohlten Blechkanne. Eine solche Kanne hat hier jeder. Je verkohlter, desto besser. Alles ist irgendwie nochmal so lecker. Wir bekommen das volle Norwegen-Programm. Und auch der Himmel klart auf. Postkartenmotiv. Zumindest das Panorama. „So ist das Leben in Nordnorwegen“, sagt Terje auf deutsch.

Nach einer guten Stunde Rückwanderung sind Thomas und ich glücklich. So hatten wir uns das gewünscht. „Takk for tur!“ (Danke für die Wanderung; diese Redewendung gehört sich in Norwegen einfach), „Selv takk“ (Direkt übersetzt: selbst Danke) , kommt es umgehend zurück. So wird in Norwegen eine Tour ordentlich beendet. Ich finde diesen Brauch schön. Den Abend lassen wir mit in Narvik gekauften, richtig guten, frischen Seelachs ausklingen.

„Tja, und das Nordlicht?“, fragt sich vielleicht der eine oder andere. Das ist uns auf dieser Reise wohl nicht vergönnt. Auch in dieser Nacht schneit es. Morgen geht es zurück nach Bodø. Das Abenteuer neigt sich dem Ende zu.


Dritter Tag: neue Planungen

Gestern haben wir erfahren, was reisen mit dem Auto im Winter in Nordnorwegen bedeutet. Heute müssen wir uns überlegen, was möglich und machbar ist. Am frühen Morgen ist für Thomas aber zunächst eine Wanderung angesagt. Motivsuche. Um 6 Uhr hat der Wecker geklingelt. Ist das Licht gut? Es ist bedeckt. Das lohnt sich nicht.

Um 8.30 Uhr gibt es dann aber kein Halten mehr. Ich drehe mich im Bett noch einmal um. Thomas geht los. Die Natur um Hillingan wird von der Sonne bestrahlt.


Nach unserem Frühstück geht es zurück in die Zivilisation. In Nordnorwegen gibt es fast überall kostenlosen Zugang zum Internet, so auch in Innhavet, dem Örtchen in der Nähe von Hillingan, 30 Kilometer entfernt. Nach einem Zwischenstopp am kleinen Hafen für Fotografien über den Sagfjord bei strahlendem Sonnenschein haben wir uns ins Hotel Hamarøy begeben, um alles für unsere Weiterfahrt in den Norden herauszufinden: Fährverbindungen, Hotel für Tromsø, Kosten. Außerdem müssen wir herausfinden, wie wir die Fotos angemessen präsentieren können. Die Technik von WordPress will nicht so wie wir sie wollen. Inhalt und Form soll uns beide zufrieden stellen (Nachtrag 2018: Zwischenzeitlich ist der Blog umgezogen auf eine eigene Webseite und einen deutschen Host).


Zurück in der Hütte sitzen wir am Ofen. Es ist 20 Uhr. Von draußen kommen Geräusche. Mein Onkel Terje macht gerne Späße. “Habt ihr euch erschreckt?”, fragt er, als ich vorsichtig nach draußen spinxe. Klaro. Er hält ein Elchgeweih in der Hand und schabt damit an der Hütte. Jorba, sein Elchhund, ist kaum zu halten und will das Geweih in sein Maul bekommen.

Drinnen gibt es Kaffee. Jorba muss draußen bleiben. Sie ist schließlich ein Elchhund. Verwöhnen ist nicht. Wir aber verwöhnen meinen Onkel umgehend mit Kaffee. Kaffee trinken Norweger um jede Uhrzeit und bei jeder Gelegenheit. Er will uns Neuigkeiten zu unseren Reiseabsichten nach Tromsø und Alta, wo mein Cousin lebt, Terje’s Sohn, bringen: Mit einem Kaffee bei meinem Cousin in Alta wird es nichts. Es ist Sturm angekündigt und wir müssten über einen Pass. Schneeverwehungen sind möglich. Außerdem ist heftiger Schneefall in der Region Alta, nördlich von Tromsø, angesagt. Auf der Strecke ab Tromsø liegen bereits zwei Meter Schnee!!! Der Weg ab Tromsø könnte so bis zu vier Stunden dauern. Im Sommer sind es maximal eineinhalb Stunden. Bis Tromsø sei der Weg aber sicher.

Die Konsequenz: Planen wir halt um. Wir buchen zwei Nächte in einem Hotel bei Tromsø. Morgen früh um 8 Uhr geht es los. Wir sind gespannt.

Text bt, Fotos ts