Fünfter Tag: endlich Tromsø

Das Ziel war definiert: Tromsø. Wir haben es auch erreicht, und zurück ins Hotel sind wir auch gekommen. Die Frage war eher, wie wir es dorthin geschafft haben. Und dann haben wir uns einfach auch mal etwas gegönnt.

Zurück auf Anfang. 7.30 Uhr. Ausschlafen ist hier nicht. Wir wollen was von der norwegischen Natur sehen. Die Sonne geht am Horizont auf. Thomas war bereits wieder draußen zum Fotografieren. Ich habe wieder eine Dusche bevorzugt. Dann beeilen wir uns, damit wir die Fähre um 9 Uhr von Senja nach Tromsø nicht verpassen. 80 Kilometer und 250 Kronen für die Fähre oder 190 Kilometer mit dem Auto nur über Eispisten. Da fällt die Entscheidung leicht.

Endlich Botnhamn. 8.55 Uhr. Die läppischen 30 Kilometer haben sich unglaublich gezogen. Wo ist der Anleger verdammt, wo die Fähre. Wir fragen einen Seemann am Anleger. „Die kommt in zwei Monaten.“ Wie? Aber im Internet stand doch … „Kansje!“ (Kann schon sein). Kein Wort mehr. Also los, keine Zeit verlieren. Wir drehen um. 220 Kilometer Eispiste liegen vor uns. Egal. Abenteuer.

Das Licht ist toll, ein Wechselspiel aus weißen Schönwetterwolken, blauem Himmel und Sonnenschein mit dunklen Wolken und Schneeflocken. Es schneit, dann reißt der Himmel auf, dann schneit es wieder. Jede Sekunde wird die Landschaft genossen. Ein Wow folgt auf das nächste. Wir machen einen kleinen Abstecher von der E6, der Hauptverkehrsader Norwegens von Süd nach Nord. Thomas hat den Blick für die Motive. Winternatur pur. Und immer wieder schrauben sich die für Norwegen so typisch dramatischen Berge steil aus dem Fjord empor.

Geplante Ankunft für Tromsø war ursprünglich gegen 1 Uhr. Es wurde 3 Uhr. Egal.

Erinnerungen kommen hoch: Ich war mit irgendwas zwischen 11 und 13 Jahren in Tromsø. Es war jedenfalls Anfang der achtziger Jahre. Die Ishavskatedralen (Eismeer Kathedrale) hatte mich damals sehr stark beeindruckt. Das weiß ich noch. Ich wollte sie unbedingt wieder sehen. Schon aus der Ferne ist sie gut sichtbar. Wir kommen an einen Kreisel. Wo ist die Ausschilderung DER Sehenswürdigkeit Tromsøs schlechthin. Nix. Dann stehen wir vor ihr. Wow! Wir wollen reingehen. Geschlossen bis 16 Uhr. Ein Orgelkonzert findet statt.

Dann stillen wir eben unseren Hunger. Unverzüglich. Ich werde schnell unleidlich, wenn ich nichts zu essen bekomme. Thomas hat das durchaus zu spüren bekommen. Aber bei der Kathedrale hätte ich mich zusammengerissen, um hier noch Zeit zu haben. So aber nicht. Glücklicherweise hat auch Thomas Hunger. Wir fahren ins Zentrum. Das erstbeste Restaurant am Hafen gibt tatsächlich was her. Aber die Preise sind, wie immer in Norwegen, jenseitig für uns Deutsche. Umgerechnet 35 Euro in einem mittelprächtigen Restaurant. Und das für Fisch, den es hier doch so massenhaft gibt. Nun dann, auch das ist egal. Das haben wir uns jetzt verdient! Anschließend wechseln wir noch in ein schickes Café und gönnen uns einen wirklich guten Cappuccino, bzw. Latte Macchiato mit Preiselbeermuffin. Preis? Egal. Cafékultur, das können die Norweger wirklich. Glaubst Du nicht? Dann probiere es.

Gut gestärkt machen wir dann eine kleine Autorundtour durch Tromsø. Ok, die ist schon eher kurz. Es schneit schon wieder heftigst. Und ich verfahre mich auch noch in der „großen“ Stadt. Und dann kommt für mich doch noch das Highlight des Tages. Der Besuch der Kathedrale. Wieder bin ich tief beeindruckt, Thomas nicht minder. Plötzlich spielt die Orgel auf.


Ja, das war all die Strapazen Wert. Ohne den Besuch hätte mir wirklich etwas gefehlt. Sicher wäre Sonnenschein toll gewesen. Dann geht eine Außenillumination an, da es dunkel wird. Bei Schneegestöber hat das seinen ganz eigenen Reiz.

Die Rückfahrt war dann übrigens völlig ohne Überraschungen. Haben wir etwas falsch gemacht?

Text von bt, Fotos ts


Vierter Tag: Überraschungen auf dem Weg nach Tromsø

Ich bin bereits viel gereist, Thomas auch, aber derartiges hatten wir noch nicht erlebt. Außergewöhnliche Überraschungen beim Wetter, beim Autofahren, beim Hotel Auffinden und beim Einchecken. Aber eines nach dem anderen.

Es sollte für uns rund 500 Kilometer weiter in den Norden bis kurz vor Tromsø gehen – haben wir wenigstens gedacht. Der Wecker hatte um 6.30 Uhr geklingelt. Holzscheite wandern wie jeden Morgen als erstes in den Ofen. Das Wasser im großen alten Kessel auf dem Ofen ist noch schön heiß. Vermengt mit kaltem Wasser in einen großen Eimer wird die Pumpe reingelegt und angestellt. Ab in die Hüttendusche. Die kann ich gar nicht oft genug erwähnen, so begeistert bin ich, auch wenn der Aufwand für 5 Minuten Dusche beträchtliche 15 MinutenOrganisation benötigt. Frisch geduscht komme ich aus dem Bad. Kein Kaffeeduft, keine Pfannkuchen. Thomas? Thoooomas??? Ein Blick aus der Hütte verschafft Klarheit, er steht mal wieder auf dem Fjord, den Fotoapparat vor dem Gesicht.


Jeder bekommt, was er braucht. Ich die Dusche, Thomas tolles Morgenlicht und eine aufgehende Sonne im Südosten. Mit diesem phantastischen Wetter hatte der Tag begonnen.

Ich packe meine Klamotten im Badezimmer zusammen und komme wieder in das Wohnzimmer zurück. Thomas schmiert sich Stullen. Ich frage, „keine Pfannkuchen?“ Nein. Ooooch! Nun gut, schlage ich also Rührei vor. Auch eins? „Äh, du hast die Uhr im Blick?“, sagt er. Die Fähre geht um 9 Uhr. Wir benötigen 20 Minuten von der Hütte zu ihr. Es ist 7.15 Uhr. Aber Zeit für Fotos am Morgen ist ja, oder was? Ich mache mir also trotzdem ein Rührei. Um 8.20 Uhr sitzen wir im Auto mit Sack und Pack. Ich bin satt, und Thomas ist glücklich, trotzdem noch genügend Zeit für vorbeikommende Fotomotive zu haben.


Soweit der Morgen. Was dann kommt lässt sich nur als Abenteuer beschreiben. Ich sage nur „etwas Schnee“ ist gar nichts. Das, was kam, war ein veritabler Schneesturm. Terje hatte mit seinen Warnungen mehr als recht. Wir hatten ja keine Ahnung! Im Schneckentempo geht es voran. Ein Räumfahrzeug fährt uns entgegen. Dann: Null Sicht. Die Scheibenwischer schaffen es nicht mehr. Überhaupt können wir von Glück reden, wenn wir 10 Meter weit sehen können. Die Straßen sind einfach nur noch weiß. Glücklicherweise sind Spikes aufgezogen. Sonst ginge gar nichts mehr.

Unser Hotel Senjagården in Gibostad soll rund 60 Kilometer von Tromsö entfernt liegen. Das schreibt das Hotel. Wir müssen laut der vom Hotel übermittelten Lagekarte nur eine Abzweigung vorher abbiegen. Zum Spaß frage ich aber doch nochmal über google Maps nach – was für ein Glück, dass wir in dieser Einöde überhaupt Empfang haben. 180 Kilometer werden ausgespuckt??? Das kann doch nicht wahr sein. Was schreiben die Hotelleute für einen Mist. Von wegen. Es stimmt. Aber: Es ist eine Route über eine Fähre. Für uns bedeutet die Neuigkeit plötzlich viel mehr Kilometer als gedacht. In völliger Konfusion ob der Entfernungen waren wir bereits 30 Kilometer am  Hotel vorbei. Und dann noch dieses Schneetreiben. Das zehrt an unseren Nerven. Und es wurde auch noch dunkel. Aber so richtig dunkel um uns. Schwarz.

Völlig mit den Nerven runter kommen wir in dem Örtchen Gibostad auf der Insel Senja an. Wo aber ist das Hotel. Da sollte doch ein Weg vor dem Ortseingang rechts abgehen? Wir fahren den Weg vier Mal hoch und vier Mal herunter. Da ist kein Weg. Verflucht. Und die Sicht ist immer noch übel. Ein kurzes aufklaren. Oberhalb des Hanges entdecken wir dann doch das Hotel. Alles ist dunkel und eine Straße nicht in Sicht. Doch dann sehen wir eine weiße Fläche zwischen zwei Zäunen. Könnte das ein Weg sein? Thomas hält an. Ich stiefel los. Tatsächlich, es ist ein Weg. Jedoch derart zugeschneit. Wie sollen wir da bergauf kommen? Kurz, es klappte. Irgendwie. Spikes sei dank.

Das war also geschafft. Wir gingen ins Hotel Senjagården. Offene Türen. Offene Zimmer. Offenes Restaurant. Das Licht funktioniert. Der Fernseher. Das Wasser ist warm. Aber kein Mensch weit und breit! Alles irgendwie unheimlich. Shining lässt grüßen. Wir entdecken eine Nachtklingel. Kein Mensch reagiert. Wir rufen die Telefonnummer des Hotels an. „Bitte hinterlassen sie eine Nachricht!“, kommt auf norwegisch durch das Telefon. Wir schauen aus dem Fenster. Das Schneetreiben nimmt wieder zu. Wir recherchieren nochmal im Internet. Norwegische Datenflat sei dank.

So vergeht eine halbe Stunde in der wir uns entscheiden, zu einem einsamen Haus unterhalb des Hotels zu gehen. Dort machen uns zwei völlig verschüchterte und verängstigte junge Norwegerinnen die Tür auf, denn wir stromerten zunächst um das Haus herum, auf der Suche nach dem Eingang und klopfen erst dann. Tatsächlich, sie kannten die Chefin des Hauses und sie konnten für uns anrufen. Ohne Erfolg. Aber just in diesem Moment: Mein Telefon klingelt. Es ist tatsächlich die Chefin: Sie habe vor einigen Tagen ihr Baby zur Welt gebracht und der Herr, der sich um uns kümmern sollte, liegt im Krankenhaus in Tromsø. Unfall. Wir beschreiben die Lage. „Suchen sie sich ein offenes Zimmer aus!“ Wir nehmen das Appartement. Mit eigener Küche. Uff, wir brauchen nicht verhungern und können unser mitgebrachtes Essen zubereiten. Was für ein Luxus. Eigentlich hatten wir ein Doppelzimmer gebucht.


Draußen stürmt es wieder. Der Wagen wird morgen, wenn das so weiter geht, eingeschneit sein. Wir sind gespannt, ob und wie wir es wohl noch nach Tromsø schaffen werden. Wir wissen jetzt wirklich, reisen in Norwegen im Winter ist speziell, ein Abenteuer und immer überraschend. Mein Onkel hatte recht, mehr als das.

Text bt, Fotos ts


Warten


Mit Thomas unterwegs zu sein bedeutet, an unmöglichen Stellen zu stoppen und zu warten. Das kann bis zu 20 Minuten dauern. Alles richtet sich an einer Prämisse aus: Die Suche nach dem ultimativen Foto.


Voraussetzungen dafür sind besonderes Licht und viele andere Dinge, die sich mir nicht immer erschließen. Warum zum Teufel fotografiert er eine verlassene Straße auf der wir gerade entlangfahren, obwohl es gerade heftigst schneit? Klar, dass dafür angehalten werden muss. In Norwegen geht das. Es ist einfach weniger Verkehr … Im Winter, nicht im Sommer, wenn die ganzen Wohnmobile hier langdonnern.

Kaum ist irgendwo ein blaues Loch im Himmel, heißt es wieder stoppen. Ich habe mich in meiner nun über 20 Jahre dauernden Freundschaft zu Thomas darauf eingestellt. Ich gehe einfach vor, oder ich sitze eben im Auto und schreibe Texte. Ich habe mal gehört, dass das mit Surfern ähnlich sein soll. Da sitzen die Freundinnen oder Ehepartnerinnen im Bus, während sich der Mann auf dem Wasser vergnügt. Es soll auch die umgekehrte Richtung geben. Wir sind zwei Männer, Freunde, das ist bei langen Freundschaften durchaus eheähnlich. Wir wissen, was wir aneinander haben.


Manchmal wundere ich mich dann aber doch. Warum ist diese Perspektive, dieses Motiv nicht schön? Ne, er fotografiert das einfach nicht. Ich frage ihn gar nicht erst. Stattdessen müssen wir schon wieder halten. Er raus. Fotografiert. Ich tippe. Er kommt rein: „Was tippst du da eigentlich, ist ja unglaublich.“ Ich: „Nun ja, ich frage dich doch auch nicht, was du da gerade fotografierst!“ Ehepaar.

Text bt, Fotos ts


Dritter Tag: neue Planungen

Gestern haben wir erfahren, was reisen mit dem Auto im Winter in Nordnorwegen bedeutet. Heute müssen wir uns überlegen, was möglich und machbar ist. Am frühen Morgen ist für Thomas aber zunächst eine Wanderung angesagt. Motivsuche. Um 6 Uhr hat der Wecker geklingelt. Ist das Licht gut? Es ist bedeckt. Das lohnt sich nicht.

Um 8.30 Uhr gibt es dann aber kein Halten mehr. Ich drehe mich im Bett noch einmal um. Thomas geht los. Die Natur um Hillingan wird von der Sonne bestrahlt.


Nach unserem Frühstück geht es zurück in die Zivilisation. In Nordnorwegen gibt es fast überall kostenlosen Zugang zum Internet, so auch in Innhavet, dem Örtchen in der Nähe von Hillingan, 30 Kilometer entfernt. Nach einem Zwischenstopp am kleinen Hafen für Fotografien über den Sagfjord bei strahlendem Sonnenschein haben wir uns ins Hotel Hamarøy begeben, um alles für unsere Weiterfahrt in den Norden herauszufinden: Fährverbindungen, Hotel für Tromsø, Kosten. Außerdem müssen wir herausfinden, wie wir die Fotos angemessen präsentieren können. Die Technik von WordPress will nicht so wie wir sie wollen. Inhalt und Form soll uns beide zufrieden stellen (Nachtrag 2018: Zwischenzeitlich ist der Blog umgezogen auf eine eigene Webseite und einen deutschen Host).


Zurück in der Hütte sitzen wir am Ofen. Es ist 20 Uhr. Von draußen kommen Geräusche. Mein Onkel Terje macht gerne Späße. “Habt ihr euch erschreckt?”, fragt er, als ich vorsichtig nach draußen spinxe. Klaro. Er hält ein Elchgeweih in der Hand und schabt damit an der Hütte. Jorba, sein Elchhund, ist kaum zu halten und will das Geweih in sein Maul bekommen.

Drinnen gibt es Kaffee. Jorba muss draußen bleiben. Sie ist schließlich ein Elchhund. Verwöhnen ist nicht. Wir aber verwöhnen meinen Onkel umgehend mit Kaffee. Kaffee trinken Norweger um jede Uhrzeit und bei jeder Gelegenheit. Er will uns Neuigkeiten zu unseren Reiseabsichten nach Tromsø und Alta, wo mein Cousin lebt, Terje’s Sohn, bringen: Mit einem Kaffee bei meinem Cousin in Alta wird es nichts. Es ist Sturm angekündigt und wir müssten über einen Pass. Schneeverwehungen sind möglich. Außerdem ist heftiger Schneefall in der Region Alta, nördlich von Tromsø, angesagt. Auf der Strecke ab Tromsø liegen bereits zwei Meter Schnee!!! Der Weg ab Tromsø könnte so bis zu vier Stunden dauern. Im Sommer sind es maximal eineinhalb Stunden. Bis Tromsø sei der Weg aber sicher.

Die Konsequenz: Planen wir halt um. Wir buchen zwei Nächte in einem Hotel bei Tromsø. Morgen früh um 8 Uhr geht es los. Wir sind gespannt.

Text bt, Fotos ts


Hüttenleben

Zuhause ist alles da, fließend warmes Wasser, eine Dusche, Zentralheizung, Strom, Toilette, jeder hat seinen Platz, alles hat seinen Platz.

Jedes mal, wenn ich in der Hütte ankomme, muss ich mich erstmal sortieren. Mit Thomas hat es das letzte mal gut funktioniert. Jetzt sind wir fast ein eingespieltes Team.

Thomas hat das Außenplumpsklo fertig gemacht, während ich mich um unseren neuesten Hüttenluxus kümmerte: eine Innen-Dusche! Mittlerweile bekommt der Hüttenliebhaber ja alles, was er braucht. Das ursprünglich so archaische hytteliv (Hüttenleben) bleibt zwar ein wenig auf der Strecke, aber egal. Niemand ist gezwungen, jeden Tag zu duschen.

Um zu kochen, die Betten oder das Badezimmer fertig zu machen, müssen wir suchen. Wo sind die Bezüge, wo sind Handtücher, wo die Pfanne, ist noch genug Pfeffer und Salz da, nutzen wir lieber Porzellanteller oder Pappteller, um Abwasch zu verhindern. Ich fahre fast jedes Jahr auf die Hütte. Ein Tag ist nötig, um sich zu sortieren. Es gehört dazu.

Nach einem Tag ist alles an seinem Platz. Zahlreiche Kanister sind mit Wasser gefüllt, Essen ist da, die Schlafstätten sind fertig und der erste Abwasch wartet auch, nachdem wir Nackensteak mit Kartoffeln und Brokkoli zum Abendessen sowie Pfannkuchen mit Syltetøy (Marmelade) und Rømme (eine Art Schmand) zum Frühstück genossen haben.

Der Ofen bollert die Hütte auf unfassbare 22 Grad hoch, obwohl es draußen -2 Grad sind. Außerdem schneit es reichlich. Nachdem wir gestern fast schon enttäuscht waren über diese schneefreie Landschaft, bekommen wir nun also auch das: das norwegische Schneepanorama.

Text bt, Fotos ts

Erster Tag: Ankommen

Zum Ankommen in Norwegen gehört für mich, die Verwandten zu begrüßen und alles für den Aufenthalt vor Ort zu organisieren.

Der Mann meiner Cousine wartet am Flughafen. Ohne fahrbaren Untersatz ist jeder in Nordnorwegen aufgeschmissen. Von ihm bekommen wir unser Auto. Er verleiht Autos, keine nagelneuen, nein „Wrecks“. Nein, ein Wrack ist unser Opel Astra Kombi nicht. Aber es ist auch nicht das neueste Modell.

Die Firma hat Freddy mittlerweile übrigens an einen Kumpel verkauft. Den uns versprochenen Tarif aber gleich mit. Meine Revanche: www.rent-a-wreck.no 🙂 2.000 Kilometer wollen wir fahren, bis nach Tromsö und noch ein Stück dahinter. Einen weiteren Verwandten besuchen. Nordlicht jagen.


Freddys Auto fährt uns sicher zum Einkaufen und die ersten 170 Kilometer bis zu unserer Hütte am Fjord. Dort können wir nichts einkaufen. Die Hütte gehört meiner Mutter. Wir könnten auch woanders hinfahren. In ein Hotel. 150 Euro die Nacht für ein einfaches Zimmer. Nach Alta nochmal 1.000 Kilometer in den Norden, wo die Chance auf Nordlicht noch viel höher wäre. Aber wir fahren auf die Hütte.

Die kleine Sandpiste zur Hütte ist völlig vereist. Schnee liegt keiner. Im Autodisplay werden -9 Grad angezeigt. Die Hütte wird saukalt sein. Ich nehme den Schlüssel und will ihn im umdrehen. Aber die Tür ist bereits auf? In der Hütte bollert der Ofen. Ich schaue auf den zugeeisten Fjord und bin irritiert. Von links ertönen Rufe. „Hei, hei!“ Mein Onkel und seine Frau winken fröhlich. Kuchen und norwegische süße Spezialitäten stehen plötzlich auf dem Tisch. „Kos doccer“(macht es euch gemütlich), sagen sie und sind weg.

Verwandte zu treffen, das ist ein schöne Sache!

Ja, und das Nordlicht, das hätten sie Gestern schon wieder hier über dem begehbaren zugefrorenen Fjord gesehen.

Ja, und heute Nacht soll es wieder kommen. Wir sind um 0.30 Uhr also auf den zugefrorenen Fjord. Die Nacht am Flughafen war ja auch schon so kurz. Also los. Es muss gerade Flut sein unter dem dicken Eis. Es knackt und kracht. Wir sehen zu, Land zu gewinnen. Soll das Eis doch so begehbar sein, wie es will.

Ein waberndes grünes Licht zeigt sich dann tatsächlich in der Ferne. Oder doch nicht. Wir sind unsicher. Ja, nein, ja … Die Füße werden kalt. Zurück in die Hütte. Dieses mal eiern wir nur landseitig über den vereisten Strand. Morgen ist auch noch ein Tag.

Text bt, Fotos ts


Ein kleiner Schreck

Angekommen in Oslo. Es ist 2 Uhr nachts. Der Flieger nach Bodø geht erst um 8.45h weiter. Wir können noch nicht mal in den Sicherheitsbereich. Der Flughafen ist tot. Nein, eine Bar hat noch offen. Also trinken Thomas und ich erst mal einen halben Liter norwegisches Ringnes für 11 Euro pro Glas – was kann das sonst sein als ein Pils. Bei dem Mondpreis. Norwegen halt!

Aber es musste eben auch ein Schreck verdaut werden. Thomas starrte wenige Stunden zuvor auf das Kofferband. Die Koffer drehten so ihre runden, und es wurden immer weniger. Einige Koffer kannten wir dann schon vom mehrfachen Sehen. Aber Thomas Koffer ist nicht dabei. Meiner schon. Ich meinte noch zu ihm, dass seiner vielleicht per Transit direkt nach Bodø ginge. Nix da. Wir müssen mit beiden Koffern durch den Zoll und dann aus dem Sicherheitsbereich raus, und dann wieder rein. Schließlich geht es von Europa nach Norwegen. Und das ist EU-Ausland. OK.

Aber Thomas Koffer war einfach nicht auf dem Band. Zirka 30 Koffer lagen da aber noch. Komisch. Wo kommen die alle her. Also gingen wir stracks zum Schalter für verloren gegangene Koffer. Filme liefen in unseren Köpfen ab. Ein Urlaub ohne ausreichend Kleidung und das bei diesen Temperaturen.

Und Thomas Koffer war nicht auf dem Band. Die nette Dame vom Schalter nahm alle Daten auf. Farbe: schwarz; Hülle: Stoff, Reißverschluss. Wie Tausende andere Koffer auch. Jeder Koffer hat eine Nummer. Und der Koffer hat einen Gepäckschein, der gescannt wird, sobald er auf das Band kommt. Thomas Koffer wurde nicht gescannt. Lag er also irgendwo auf dem Rollfeld? Ist er überhaupt in Oslo angekommen? Wenn der Koffer auftauchen sollte, wird er uns nach Innhavet zu meinem Onkel geliefert. Gut … oder auch nicht.

Ein letzter Blick noch mal aufs Band. Thomas geht an den Koffern vorbei. Seiner ist nicht dabei. Ich bin hinter ihm. Ich sehe zufälligerweise auf einen Gepäckschein: Thomas Schäkel steht da.

„Hei ist das deiner?“; „Oh Gott, ist der tatsächlich so hässlich …“, sagt er!

Text bt, Foto ts


Fotos im Header online

Text bt

Diese Nachricht wäre redundant, wenn die Fotos nicht von Thomas wären, und sie von unserer ersten gemeinsamen Reise im Jahre 2011 stammen. Die Fotos wechseln ständig im Kopf, wenn Ihr die Seiten neu aufruft. Es lohnt sich also durchaus, die Seiten mehrere Male neu zu laden. Kurz zu den fotografierten Orten:

  • Abflug von Oslo nach Bodö
  • Der Mann vor dem Auto bin ich. Wir hatten einen Ausflug zur Batterie Dietel auf die Insel Engelöy gegenüber den Lofoten gemacht. Die Aufnahme entstand gegen 4 Uhr Nachmittags. Der Mond stand so hoch und hell am Himmel, dass er durchaus als etwas vernebelte Sonne hätte durchgehen können. Es gibt Fotos, die diesen Eindruck untermauern.
  • Ein Foto zeigt eine zugefrorene Fläche, unter der ein Acker vermutet werden könnte. Aber es befindet sich der Binnenfjord Brendjord darunter. Das Eis war so dick, dass wir so manchen Ausflug darauf unternahmen. Das Knirschen unter uns war aber auch durchaus gruselig. Die Gezeiten hoben oder senkten das Eis permanent. Meine Familie ging und geht hier Eisfischen. Das Foto entstand Mittags vom vor unserer Hytte gelegenen Sandstrand aus. Der riesige Berg im Hintergrund heißt Veggfjell. Die Familie meiner Tante Mary Astrid stammt von hier. Jetzt steht dort am Ufer nur eine einsame Hytte. Hier ein Sommerfoto zum Vergleich.

    Hillingan Richtung Veggfjell im Sommer
    Hillingan Richtung Veggfjell im Sommer 2009 (Fotorechte: bt)
  • Das Foto mit dem dampfenden Wasser zeigt den Sagfjord. Der Golfstrom wärmt das Fjordwasser. Wir hatten unglaubliches Glück mit dem Wetter und fasst nur knallblauen Himmel an den fünf Tagen unserer Reise. Dass es in Nordnorwegen oberhalb des Polarzirkels im Winter immer Dunkel ist, ist allerdings ein hartnäckiges Gerücht. Die Sonne schafft es jedoch nicht über den Horizont. Später aber vielleicht mehr dazu. Auch dieses Foto entstand zur Mittagszeit und wurde am Hafen von dem Örtchen Innhavet (Inn = hinein oder innen; havet = Hafen) aufgenommen.
  • Ein Landschaftsbild zeigt mehrere Berge, die direkt aus dem Meer zu kommen scheinen. Sie liegen im Südwesten der Batterie Dietel. Wir haben für dieses Panorama extra eine Anhöhe erklommen. Zu unseren Füßen lagen die Ausläufer der Insel Engelöy.