Die Jagd ist beendet

Dieser Blog ist mit diesem Beitrag abgeschlossen.

Wir laden aber herzlich ein, die acht Tage und Nächte, an denen wir einiges an Aufwand betrieben, um 2013 das Nordlicht zu sehen, nachzulesen. Ihr könnt miterleben wie wir von unserer „Basis-Station“, einer Hütte auf der Halbinsel Hillingan auf Höhe der Lofoten/Svolvær, weitere 600 Kilometer durch Schneestürme und über Eis- und Schneepisten in den Norden bis nach Tromsø geschliddert sind. In der letzten und achten Nacht vor unserer Rückfahrt nach Bodø zu unserem Flieger bescherte uns der Zufall ausgerechnet auf Hillingan dann doch das Nordlicht. Hätten wir auch gleich auf der Hytta bleiben können.

Hinter dem Blog stecken Thomas Schäkel für die Fotografie und Björn Troll für die Texte (mehr siehe „Über uns“). Idee war, die Sichtweise eines Fotografen und eines Texters nebeneinander stehen zu lassen. Hier folgt weder das Bild dem Text wie es im Journalismus und in der PR üblich ist, noch beschreiben umgekehrt die Texte die Entstehungsgeschichte und Hintergründe der Bilder.

In manchen Fällen decken sich Fotografie und Text in den Postings. In anderen Fällen stehen Fotos völlig für sich selbst im Sinne der l’Art pour l’Art (der Kunst um seiner selbst Willen).

Manchmal sind die Texte nicht ganz sauber formuliert. Lange habe ich, Björn Troll, hin und her überlegt, ob ich diese nochmal redigieren sollte. Ich habe mich dagegen entschieden. Sie sind in dem Moment geboren worden, in dem ich sie erlebt habe. Das hinterher glattzubügeln, das würde alles verfälschen.

Text bt, Fotos ts

Von Verwandtschaftsverhältnissen in Nordnorwegen

Wenn sich untereinander unbekannte Norweger treffen, schwebt unweigerlich die Frage im Raum, „könntest Du mit mir verwandt sein, und woher kommst Du?“


Im „Fylke“ Nordland verteilen sich gerade einmal 250.000 Menschen auf sagenhaften 38.500 Quadratkilometern. Das sind sechs Menschen auf einem Quadratkilometer. Bei so einer geringen Bevölkerungsdichte ist die Chance sehr groß, wenn auch nur über drei Ecken, miteinander verwandt zu sein.

Auch ich habe in diesem Blog oft von meiner Familie berichtet. In Bodø, der Hauptstadt Nordlands, unserem Start- und Zielort in Nordnorwegen, finden sich unter seinen 46.000 Einwohnern mittlerweile einige meiner rund 50 Verwandten.

Aufgewachsen sind viele im heutigen 200 Seelen-Dörfchen Innhavet beziehungsweise auf der Halbinsel Hillingan mit seinen drei Gutshöfen. Landflucht ist auch in Norwegen ein Thema. Während wir durch die vielen kleinen Ortschaften in Nordnorwegen fuhren, fielen uns immer wieder verlassene Häuser und Höfe auf.

Auch meine Familie hat den kleinen Hof Hillingan Ende der 70er Jahre verlassen. Jetzt stehen da fünf Hütten. Und das alte Hofhaus wird von einer meiner Cousinen als Wochenendhaus genutzt.

Einst kamen arme Bauern aus den Süden in den hohen Norden, um hier oben sesshaft zu werden. Auch unsere nordische Familie hat im Süden Ahnen, sogar in Deutschland. Die frühesten Siedler im hohen Norden waren jedoch die Sami, auch Lappen genannt, die sicher auch in unserer Familie ihre Spuren hinterlassen haben.

So lässt sich aus der Geschichte meiner Familie durchaus etwas von den Wanderbewegungen der Norweger ablesen.

Text bt, Foto ts


On the Road

Fotos ts


Ut på tur … Ein kleiner Rückblick

„Ut på tur!“ (Raus zum Wandern) …

Wandern ist für meine norwegische Familie wichtig. Aber das ist ein völlig anderes Wandern als wir das hier kennen in Deutschland. Dort wird gerne auf Berge gestiegen, mit dem Boot über den Fjord gepest zu Angelstellen für Sei (Seelachs), Torsk (Dorsch) und mit Glück zu Rotbarsch, oder werden Seen und Wasserfälle aufgesucht, wo Øret (Forelle) gefangen werden kann. Immer wird das zuvor Gefangene während einer Pause sofort verspeist. Was übrig bleibt, wird mit nach Hause genommen. Wenn ausnahmsweise nichts gefangen wird, dann … nein daran kann ich mich nicht erinnern. Gerne gehört auch ein Lagerfeuer dazu. „So ist das leben in Nordnorwegen“, pflegten meine Verwandten bei unseren Pausen immer! auf deutsch! zu sagen.

Allerdings gehört zuallererst auch eine Verabredung dazu.

Wir Deutschen sollen ja für unsere Pünktlichkeit weltbekannt sein. Wenn ich an Pünktlichkeit denke, kommen mir meine norwegischen Verwandten wirklich nicht als erste in den Sinn. Im Sommer zählt wirklich mehr, wie gerade das Wetter ist, auch wenn man sich für eine Uhrzeit verabredet hat. Nein, es wird gewartet bis die Sonne rauskommt, und erst dann geht es los. Es ist ja auch wirklich egal, wann die Tour startet. Taghell ist es hier im Sommer ja immer.

Ich kann mich daran erinnern, dass wir eine ursprünglich für den Vormittag geplante Tour erst um 16 Uhr Nachmittag gestartet haben, weil nicht klar war, wie sich das Wetter entwickelt. Wir kamen erst gegen 2 oder 3 Uhr nachts zurück. Völliger Wahnsinn für uns Deutsche. Bei einer anderen Gelegenheit stand unsere Verabredung morgens um halb sechs vor unserem Fenster und warf Kieselsteine dagegen, damit wir aus den Federn kommen. Das Wetter war ja auch wirklich fantastisch, da galt es keine Zeit zu verlieren. Geplant war aber 9 Uhr.

Die Touren waren übrigens allesamt toll. Ich liebe das. Vielleicht gehe ich deshalb heute so gerne mit meiner Frau und oder mit Freunden wandern. Und der Allerpünktlichste bin ich übrigens auch nicht. Der Apfel … ach lassen wir das.

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Rund um Tromsø


Fotos, ts


Warten


Mit Thomas unterwegs zu sein bedeutet, an unmöglichen Stellen zu stoppen und zu warten. Das kann bis zu 20 Minuten dauern. Alles richtet sich an einer Prämisse aus: Die Suche nach dem ultimativen Foto.


Voraussetzungen dafür sind besonderes Licht und viele andere Dinge, die sich mir nicht immer erschließen. Warum zum Teufel fotografiert er eine verlassene Straße auf der wir gerade entlangfahren, obwohl es gerade heftigst schneit? Klar, dass dafür angehalten werden muss. In Norwegen geht das. Es ist einfach weniger Verkehr … Im Winter, nicht im Sommer, wenn die ganzen Wohnmobile hier langdonnern.

Kaum ist irgendwo ein blaues Loch im Himmel, heißt es wieder stoppen. Ich habe mich in meiner nun über 20 Jahre dauernden Freundschaft zu Thomas darauf eingestellt. Ich gehe einfach vor, oder ich sitze eben im Auto und schreibe Texte. Ich habe mal gehört, dass das mit Surfern ähnlich sein soll. Da sitzen die Freundinnen oder Ehepartnerinnen im Bus, während sich der Mann auf dem Wasser vergnügt. Es soll auch die umgekehrte Richtung geben. Wir sind zwei Männer, Freunde, das ist bei langen Freundschaften durchaus eheähnlich. Wir wissen, was wir aneinander haben.


Manchmal wundere ich mich dann aber doch. Warum ist diese Perspektive, dieses Motiv nicht schön? Ne, er fotografiert das einfach nicht. Ich frage ihn gar nicht erst. Stattdessen müssen wir schon wieder halten. Er raus. Fotografiert. Ich tippe. Er kommt rein: „Was tippst du da eigentlich, ist ja unglaublich.“ Ich: „Nun ja, ich frage dich doch auch nicht, was du da gerade fotografierst!“ Ehepaar.

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Erste Natureindrücke


Ausblick aus dem Büro von Rent a Wreck, unserem Autoverleiher

Auf Hellingen



Hüttenleben

Zuhause ist alles da, fließend warmes Wasser, eine Dusche, Zentralheizung, Strom, Toilette, jeder hat seinen Platz, alles hat seinen Platz.

Jedes mal, wenn ich in der Hütte ankomme, muss ich mich erstmal sortieren. Mit Thomas hat es das letzte mal gut funktioniert. Jetzt sind wir fast ein eingespieltes Team.

Thomas hat das Außenplumpsklo fertig gemacht, während ich mich um unseren neuesten Hüttenluxus kümmerte: eine Innen-Dusche! Mittlerweile bekommt der Hüttenliebhaber ja alles, was er braucht. Das ursprünglich so archaische hytteliv (Hüttenleben) bleibt zwar ein wenig auf der Strecke, aber egal. Niemand ist gezwungen, jeden Tag zu duschen.

Um zu kochen, die Betten oder das Badezimmer fertig zu machen, müssen wir suchen. Wo sind die Bezüge, wo sind Handtücher, wo die Pfanne, ist noch genug Pfeffer und Salz da, nutzen wir lieber Porzellanteller oder Pappteller, um Abwasch zu verhindern. Ich fahre fast jedes Jahr auf die Hütte. Ein Tag ist nötig, um sich zu sortieren. Es gehört dazu.

Nach einem Tag ist alles an seinem Platz. Zahlreiche Kanister sind mit Wasser gefüllt, Essen ist da, die Schlafstätten sind fertig und der erste Abwasch wartet auch, nachdem wir Nackensteak mit Kartoffeln und Brokkoli zum Abendessen sowie Pfannkuchen mit Syltetøy (Marmelade) und Rømme (eine Art Schmand) zum Frühstück genossen haben.

Der Ofen bollert die Hütte auf unfassbare 22 Grad hoch, obwohl es draußen -2 Grad sind. Außerdem schneit es reichlich. Nachdem wir gestern fast schon enttäuscht waren über diese schneefreie Landschaft, bekommen wir nun also auch das: das norwegische Schneepanorama.

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Ein kleiner Schreck

Angekommen in Oslo. Es ist 2 Uhr nachts. Der Flieger nach Bodø geht erst um 8.45h weiter. Wir können noch nicht mal in den Sicherheitsbereich. Der Flughafen ist tot. Nein, eine Bar hat noch offen. Also trinken Thomas und ich erst mal einen halben Liter norwegisches Ringnes für 11 Euro pro Glas – was kann das sonst sein als ein Pils. Bei dem Mondpreis. Norwegen halt!

Aber es musste eben auch ein Schreck verdaut werden. Thomas starrte wenige Stunden zuvor auf das Kofferband. Die Koffer drehten so ihre runden, und es wurden immer weniger. Einige Koffer kannten wir dann schon vom mehrfachen Sehen. Aber Thomas Koffer ist nicht dabei. Meiner schon. Ich meinte noch zu ihm, dass seiner vielleicht per Transit direkt nach Bodø ginge. Nix da. Wir müssen mit beiden Koffern durch den Zoll und dann aus dem Sicherheitsbereich raus, und dann wieder rein. Schließlich geht es von Europa nach Norwegen. Und das ist EU-Ausland. OK.

Aber Thomas Koffer war einfach nicht auf dem Band. Zirka 30 Koffer lagen da aber noch. Komisch. Wo kommen die alle her. Also gingen wir stracks zum Schalter für verloren gegangene Koffer. Filme liefen in unseren Köpfen ab. Ein Urlaub ohne ausreichend Kleidung und das bei diesen Temperaturen.

Und Thomas Koffer war nicht auf dem Band. Die nette Dame vom Schalter nahm alle Daten auf. Farbe: schwarz; Hülle: Stoff, Reißverschluss. Wie Tausende andere Koffer auch. Jeder Koffer hat eine Nummer. Und der Koffer hat einen Gepäckschein, der gescannt wird, sobald er auf das Band kommt. Thomas Koffer wurde nicht gescannt. Lag er also irgendwo auf dem Rollfeld? Ist er überhaupt in Oslo angekommen? Wenn der Koffer auftauchen sollte, wird er uns nach Innhavet zu meinem Onkel geliefert. Gut … oder auch nicht.

Ein letzter Blick noch mal aufs Band. Thomas geht an den Koffern vorbei. Seiner ist nicht dabei. Ich bin hinter ihm. Ich sehe zufälligerweise auf einen Gepäckschein: Thomas Schäkel steht da.

„Hei ist das deiner?“; „Oh Gott, ist der tatsächlich so hässlich …“, sagt er!

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Es geht los

Ein holpriger Start, so lassen sich die ersten Stunden zusammenfassen. Wenn zwei eine Reise tun, müssen sie sich erstmal finden, auch wenn sie seit über 20 Jahren miteinander befreundet sind. Da sind zunächst einmal unsere unterschiedlichen Vorstellungen von Zeitbedarf vor dem Abflug. Der eine will reichlich Vorlauf haben, der andere mag es auf den letzten Drücker. Die goldene Mitte? Die gibt es nicht. Dann ist der eine halt überpünktlich und der andere muss dann früher los als gewollt, holt aber doch noch einige Minuten raus, das Brot will ja noch in Ruhe gegessen werden. Beide glücklich … Hmnaja.

Und dann stellen sich die beiden aufeinander ein. Die Frauen an ihrer Seite, sitzend im Auto, Frotzeleien.

Keine 15 Minuten später stehen wir am Check in. Die ersten norwegischen Worte kommen von links und rechts.

Abschied. Auf durch die Sicherheitsschleusen. Und einer hat dann doch nicht an alle Sicherheitsbedingungen gedacht. So wandert ein Schampo im Müll. Es gibt schlimmeres.

Und noch mehr Norwegisch erklingt kurze Minuten später im Duty free. Hochprozentiges wandert über die Theke und Zigarren. Heute war im Facebook bei der norwegischen Verwandtschaft zu lesen, dass sie auf ihrer Hüttenterrasse hübsch eingepackt saßen und ihren Kaffee genossen. Bei uns wird es dann wohl auch mal eine Zigarre dabei geben. Das Hochprozentige wird aber auch die norwegischen Kehlen hinunterlaufen.

Und was machen Männer, wenn sie dann auf den Flieger warten müssen, weil sie ja sooo früh da sein mussten? Sie trinken erst mal ein …. nein, kein Kölsch … ein Pils und ein Schwarzbier. Und dann posten sie ihren ersten Bericht, lächeln sich an – ja, jetzt kann sie losgehen, die Reise nach Nordnorwegen und die Jagd nach dem Nordlicht.

Text bt, Foto ts